Freitag, Oktober 21, 2005

Mütter

Ist es nicht erstaunlich, dass man der Person, die einen auf die Welt gebracht und die man einmal über alles geliebt hat, irgendwann so gemischte Gefühle entgegen bringen kann? Schwer zu glauben, wenn man beobachtet, wie ein kleines Kind an seiner Mutter hängt. Doch es gibt wohl keine kompliziertere Beziehung als die zur eigenen Mutter.
Als Baby und Kleinkind ist sie das Ein und Alles. Doch dann verliert sie schon bald an Bedeutung. Im Kindergarten werden andere Bezugspersonen plötzlich beeindruckender. Die coole Kindergärtnerin, dann die liebe Lehrerin und in der Pubertät würde man sowieso die ganze Familie für die beste Freundin aufgeben. Selbst der Hund ist einem mehr Freund als die Mutter!
Später stabilisiert sich das Ganze wieder etwas. Doch für mich ist es nach wie vor so: Niemand nervt mich mehr, niemand versteht mich weniger, bei niemandem habe ich weniger Geduld, niemanden schreie ich öfter an, niemanden ertrage ich weniger lange, niemand hat weniger den Durchblick in meinem Leben und niemand bringt Ratschläge, auf die ich mehr verzichten könnte als meine Mutter. Und doch: niemand kann mich mehr verletzen, weil ich irgendwie doch immer wieder ihre Anerkennung suche. Irgendwie geht es nicht mehr mit der Mutter, doch ohne geht es auch nicht.